Zum ersten Mal hat sich eine Persönlichkeit des europäischen Kirchen-Establishments gegen ein Argument geäußert, das ISIS entlastet und von Mitgliedern der westlichen politischen und kulturellen Elite regelmäßig verbreitet wird. Justin Welby, Erzbischof von Canterbury, sprach am 17. November in Frankreich; dort sagte er, mit religiös motivierter Gewalt in Europa fertig zu werden,
"erfordert eine Bewegung weg von dem Argument, das zunehmend beliebt geworden ist: zu sagen, dass ISIS 'nichts mit dem Islam zu tun hat'... Bis religiöse Leiter aufstehen und die Verantwortung für das Tun derer übernehmen, die etwas im Namen ihrer Religion tun, werden wir keine Lösung erleben."
Erzbischof Welby sagte auch: "Es ist schwierig die Dinge zu verstehen, die Leute dazu antreiben einige der entsetzlichen Taten zu verüben, die wir im Verlauf der letzten Jahre erlebt haben, wenn man nicht ein Gefühl für religiöse Schriftkenntnis hat."
"Religiöse Schriftkenntnis" ist in der Tat Mangelware gewesen, besonders auf dem europäischen Kontinent. Dennoch sind überall im Westen Menschen, die wenig bis nichts vom Islam wissen, darunter Führungspolitiker, Journalisten und Meinungsmacher, plötzlich allesamt "Experten" für den Islam und den Koran geworden, die allem und jedem versichern, dass ISIS und andere ähnlich völkermörderische Terrorgruppen nichts mit der angeblichen "Religion des Friedens", dem Islam, zu tun haben.
Daher ist es bemerkenswert endlich eine Stimme aus dem Establishment zu hören, besonders einen Mann der Kirche, der sich, wenn auch sehr vorsichtig, dieser kurios uniformen (und betäubend einförmigen) Sicht auf den Islam entgegenstellt. Bis heute sind Establishment-Kirchen, trotz der von Muslimen an Christen verübten Gräueltaten außerordentlich stark nur mit sogenanntem "interreligiösem Dialog" beschäftigt gewesen. Papst Franziskus hat die Europäer sogar heftig getadelt, weil sie den Migranten gegenüber nicht entgegenkommender sind, die den Kontinent bestürmt haben; er fragte die Europäer:
Was ist mit euch geschehen, dem Europa des Humanismus, dem Helden der Menschenrechte, der Demokratie und Freiheit? ... Die Mutter großer Männer und Frauen, die die Würde ihrer Brüder und Schwestern hochhielten, sogar ihr Leben dafür opferten?"
(Vielleicht sollte der Papst, bevor er rhetorisch Europäer auffordert ihr Leben für ihre Migranten-"Geschwister" zu opfern, sich selbst fragen, ob viele der muslimischen Migranten in Europa die Europäer als ihre "Geschwister" betrachten.)
Eine Äußerung zum Islam ist besonders aussagekräftig, wenn sie vom Erzbischof von Canterbury kommt, dem obersten Bischof und wichtigsten Leiter der anglikanischen Kirche und symbolische Kopf der Anglikanischen Gemeinschaft, die weltweit etwa 85 Millionen Mitglieder hat; sie ist die drittgrößte christliche Gemeinschaft der Welt.
Justin Welby (links), der Erzbischof von Canterbury, sagte vor kurzem, dass mit der religiös motivierten Gewalt in Europa umzugehen, "einen Schritt weg von dem Argument erforderte, das zunehmend beliebt geworden ist: zu sagen, dass ISIS 'nichts mit dem Islam zu tun hat'... Bevor wir nicht religiöse Leiter aufstehen und Verantwortung für das Tun derer übernehmen, die Dinge im Namen ihrer Religion tun, werden wir keine Lösung erleben." (Bildquelle: Foreign and Commonwealth Office) |
Noch vor einem Jahr folgte der Erzbischof, als er die Massaker in Paris kommentierte, der konventionellen, politisch korrekten Orthodoxie und dozierte: "Die Perversion des Glaubens ist einer der verzweifeltsten Aspekte unserer heutigen Welt." Er erklärte Terroristen des Islamischen Staats hätten ihren Glauben so weit entstellt, dass sie glauben, sie würden ihren Gott verherrlichen. Seit damals hat er seine Meinung klar geändert.
Kann man erwarten, dass andere Kirchenleiter und politische Persönlichkeiten die Worte von Welby beherzigen oder übersieht man sie bequemerweise? Westliche Führungskräfte haben viele Jahre lang auffallend selektives Hören praktiziert, besonders wenn tatsächliche Islam-Experten sprechen. Als Scheik Muhammad Abduallah Nasr, ein Gelehrter für islamisches Recht und Absolvent der ägyptischen Al-Azhar-Universität, erklärte, warum die prestigeträchtige Institution, die islamische Mainstream-Gelehrte ausbildet, es ablehnte ISIS als unislamisch zu verurteilen, hörte keiner von ihnen zu:
"Der Islamische Staat ist ein Nebenprodukt des Programms der Al-Azhar. Kann also Al-Azhar sich selbst als unislamisch bezeichnen? Al-Azhar sagt, es müsse ein Kalifat geben und dass dieses für die Muslime der Welt eine Verpflichtung ist. Al-Azhar lehrt das Gesetz des Glaubensabfalls und dass der Abgefallene zu töten ist. Al-Azhar ist religiösen Minderheiten gegenüber feindselig und lehrt Dinge, wie die, dass keine Kirchen gebaut werden dürfen usw. Al-Azhar unterstützt die Einsetzung der Jizya [Nichtmuslimen Tribut abzunehmen]. Al-Azhar lehrt die Steinigung von Menschen. Kann also Al-Azhar sich selbst als unislamisch verurteilen?"
Hörten westliche Führungspersönlichkeiten zu, als The Atlantic – der kaum als Anti-Establishment-Zeitschrift bezeichnet werden kann – eine Studie von Graeme Wood veröffentlichte, der den Islamischen Staat und seine Ideologie eingehend erforschte. Er sprach mit Mitgliedern und Rekruteuren des islamischen Staates und kam zu dem Schluss:
"Die Wirklichkeit sieht so aus, dass der Islamische Staat islamisch ist. Sehr islamisch. Ja, er hat Psychopathen und Abenteurer angezogen, die sich weitgehend aus unzufriedenen Bevölkerungen des Nahen Ostens und Europas kommen. Doch die von ihren leidenschaftlichsten Anhängern gepredigte Religion ist aus stimmigen und auch fachkundigen Interpretationen des Islam abgeleitet."
In den Vereinigten Staaten äußerte sich eine weitere Persönlichkeit des Establishments, Reince Preibus, der Vorsitzende des Republican National Committee und Stabschef des Weißen Hauses in Donald Trumps ins Amt kommender Regierung, vor kurzem im selben Sinn wie der Erzbischof von Canterbury. "Es gibt hier eindeutig einige Aspekte dieses Glaubens, die problematisch sind und wir kennen sie; wir haben sie gesehen", sagte Priebus, als er gebeten wurde die Ansicht des kommenden Nationalen Sicherheitsberater Generalleutnant Michaels Flynns zu kommentieren, der der Islam sei eine politische Ideologie, die sich dahinter versteckt eine Religion zu sein.
In einem Großteil der amerikanischen Gesellschaft wird Flynns Ansicht, dass der Islam eine politische Ideologie ist, als umstritten betrachtet, trotz der Tatsache, dass die politische und militärische Doktrin, prägnant zusammengefasst im Konzept des Jihad, im islamischen Recht, der Scharia, wie es im Koran und den Hadithen zu finden ist, kodifiziert wurde. Zum Beispiel folgen die Jihadisten, die Terroranschläge im Dienst von ISIS ausführen, lediglich den Geboten des Koran, sowohl in Sure 9,5 ("tötet die Götzendiener, wo immer ihr sie findet, ergreift sie, belagert sie und lauert ihnen aus jedem Hinterhalt auf!...") als auch in Sure 8,39 ("Und kämpft gegen sie, bis es keine Verfolgung mehr gibt und (bis) die Religion gänzlich Allahs ist.")
Zur Frage wird nun, ob andere Persönlichkeiten aus dem Establishment ebenfalls eingestehen werden, was in der Öffentlichkeit zu sagen Erzbischof Welby – wie auch außergewöhnliche ägyptische Präsident Abdel Fatah el-Sisi – endlich den Mut hatte: Wenn man darauf besteht "religiös analphabetisch" zu bleiben, dann ist es unmöglich das Problem religiös motivierter Gewalt zu lösen.