Mitte Januar tötete ein Drohnenschlag im pakistanischen Stammesgebiet des Shawal-Tals an Afghanistans Grenze nicht nur die al-Qaida-Führer Ahmad Faruq und Adam Ghadan, beide Amerikaner, sondern auch deren Gefangene, den Amerikaner Warren Weinstein und den Italiener Giovanni Lo Porto. Drei Monate später, am 23. April, übernahm nun Präsident Obama öffentlich die Verantwortung - und entschuldigte sich für den Tod beider Geiseln.
So trat al-Qaida ins Rampenlicht, die der "Islamstaat" mit Mordvideos über das Köpfen von 21 ägyptischen und 31 äthiopischen Christen am libyschen Strand des Mittelmeers in den Medienschatten rückte, gewiss seit dem Pariser Charlie-Hebdo-Angriff. Eben deckten Behörden nahe Milano Anschlagpläne auch gegen den Papst und den Vatikan auf. In dem Licht arretierte Italiens Polizei am 24. April zehn afghanische und pakistanische Jihadis.
Im bergigen afghanisch-pakistanischen Grenzraum, wo sich al-Qaida einnistete, schlugen seit 2004 über 400 Drohnen ein. Im jüngsten halben Jahr töteten sie 40 Jihadis mit dem Effekt, dass al-Qaida ihre Leitstellen woanders ausbaut, darunter in Sudan, Libyen, Syrien, Mittelafrika und Jemen. Im jüngsten Krieg der Sunni-Allianz Saudi-Arabiens gegen die iranisch abgestützten al-Huthis setzte Barack H. Obama ein Zeichen, indem er durch eine Flotte des Flugzeugträgers "Theodore Roosevelt" vor dem Golf von Aden verhinderte, dass dort ein iranischer Konvoi mit neun Schiffen Waffen für die al-Huthis ablud. Alsbald fehlt dieser Kriegsflamme der Brennstoff, vorerst. Noch ist offen, wie Teheran reagiert und ob die Seiten politische Wege suchen. Dass bei den al-Huthis Plakate der Hizballah aufkamen, zeigt, was Teheran dort vorhat. Amerika blockiert es, verhandelt aber weiter im Atomstreit.
Obama scheint Iran als Regionalmacht zu sehen. Dies folgt seiner fehlerhaften Analyse, in der er die expansive Natur des Regimes verkennt, das seit 1979 islamistische Revolten anzettelt. Obama ignoriert Islamismus als Erklärungsansatz. Als ihn Journalisten am 17. April fragten, ob angeblich denn Muslime christliche Flüchtlinge ins Mittelmeer warfen, schwieg er, wozu Italiens Premier Matteo Renzi sagte, es gehe nicht um Religion, sondern um die Menschenwürde. Politiker speisen Bürger zur Migrantenkrise am Mittelmeer ab. Als der "Islamstaat" Christen köpfen ließ, hieß es am 20. April in Brüssel, dies wäre keine Kollision der Zivilisationen, kein Kampf des Islams gegen den Westen, sondern der krimi-nelle Missbrauch einer noblen Religion für Terror im Machtkampf – aber wer gegen wen?
Wortinhalte
Alles, was reell ist, nicht beim Namen zu nennen, damit sind Obama, Renzo und Leute der Europäischen Union nicht allein. Sie verwehren ihren mündigen Wählern, sich eine klare Meinung zu bilden, die durch ihre Steuern diese bezahlen. Zu viel und schief erklärt es der Verfassungsschutz. Zwar sei Jihadismus eine Gewaltideologie und politischer Missbrauch der Religion, aber jihadistische Propaganda wäre "unislamisch" und die Erklärung eines totalen Kriegs gegen den Westen und seine Bürger durch Terror sei mit Islam unvereinbar. Ebenso spielt dieses Amt "Mufti oder Mullah" in seinen Worten über den "kleinen Jihad".
In der Art sprach Ioannis Vrailas am 23. April in New York für die Europäische Union zur Rolle der Jugend, dem "gewaltsamen Extremismus" zu begegnen. Den benennt er nicht genauer. Im Gegenteil, behauptet er anzuerkennen, dass dieser nicht mit einer Religion, Nationalität oder Zivilisation zu verknüpfen wäre. Im Widerspruch dazu forderte er dann, "dahinter liegende Faktoren anzusprechen, um der Radikalisierung zu begegnen". Diese Rede ist unverständlich, zumal er von der Rolle religiöser Führer spricht. Welcher denn? Wer das Gestern erkennen will, sucht oft gegen Ignoranz den Dreiklang von Verarbeiten, Verbessern und Vorbeugen. Präsident Gauck tat dies, indem er die "genozidale Dynamik" betonte, der das armenische Volk im Osmanenreich unterlag. Es lohnt, näher hinzusehen.
Für und - Wider der Gedenkrede des Bundespräsidenten Joachim Gauck, Berliner Dom, 23. April 2015
Täter im rassistisch, ethnisch oder religiösen Massenmord waren fanatisch überzeugt.
Sie suchten aber auch ihr Treiben zu verstecken, Befehle zu vernichten, hegten in Ansätzen eine Art Unrechtsbewusstsein.
Die jungtürkische Ideologie eines ethnisch homogenen, religiös einheitlichen Nationalstaat entsagte des zuvor bunten Miteinanders im Osmanenreich.
Die Ideologie war der Islamismus mit einem genozidalen Strang, den deutsch-osmanische Kreise durch die Bruderschaften und als Jihadismus weit propagiert haben.
Einheits- und Reinheitsideologien enden nicht selten in Ausschluss, Vertreibung und in letzter Konsequenz in mörderischer Tat.
Die genozidale Dynamik führte auch zum versuchten Genozid an Palästinas Juden. Es traf, wie Gauck sagte, auch Griechen, Assyrer oder Aramäer. Zivile Minoritäten wurden zu Kriegszielen aufgrund einer vermeintlichen Art der "Höherwertigkeit". Der Kaiser benutze seit 1908 dafür "Islamismus".
Indem wir uns erinnern, setzen wir niemanden, der heute lebt, auf die Anklagebank.
Doch, all die Leugner.
Auch wir Deutsche insgesamt müssen uns noch der Aufarbeitung stellen, wenn es um Mitverantwortung am Völkermord an den Armeniern geht.
Die deutsch-osmanische Jihadisierung des Islams trug dazu bei.
Deutsche Militärs planten und deportierten teilweise mit. Hinweise der Beobachter, die gegen Armenier den Vernichtungswillen genau erkannten, wurden ignoriert.
Der Kaiser kalkulierte die Islampolitik ab 1894.
Wir tun es, damit kein Diktator und niemand, der ethnische Säuberungen für legitim hält, erwarten kann, dass man seine Taten ignoriert oder vergisst.
Das heutige Leugnen von Realitäten bewirkt das Gegenteil.
Niemand braucht vor der Wahrheit Angst zu haben.
Eine moralische und materielle Restitution steht an.
Gauck erwähnte die jungtürkische Ideologie, die einen ethnisch homogenen, religiös ein-heitlichen Nationalstaat anstrebte. Der Kaiser nannte sie "Islamismus". Wie sein Biograph John C.G. Röhl enthüllt, schwebte ihm am 3. September 1908 die Möglichkeit eines islami-stischen Aufstands "von Indien bis Marokko" vor, der anzeige, wie die britische, russische und französische Macht in Mittelost untergehe. Wilhelm sprach gar von seiner 20jährigen, mühsam aufgebauten Türkenpolitik. General Bruno von Mudra nannte sie in "diabolischer Rücksichtlosigkeit" mit allen Ränken die Türkei zum Feinde England und Frankreichs zu machen. Das hieß, Istanbul von einer bislang defensiven zu einer aggressiven Islampolitik zu bringen. Dies gelang Deutschland. Es sollte der 25. Staat werden, der den Völkermord an Armeniern - und seine Anteile daran - voll aufarbeitet und anerkennt.