Drei Viertel der Amerikaner sehen ihre Arbeit als zentral an, verglichen mit einer Hälfte von Personen in 44 Ländern. Religion ist sehr wichtig, meint eine Hälfte der Amerikaner. Das ist keineswegs so in anderen Staaten wie Canada, Deutschland und Australien, wo dies etwa 20 Prozent der Einwohner sagen. Gottesglaube, so die Hälfte aller Amerikaner, sei ein Grundsatz des moralischen Lebens mit guten Werten. Das sehen allein 23 Prozent der Australier und 15 Prozent der Franzosen so, erhellt eine PEW-Umfrage vom Anfang des Vorjahrs in 44 Ländern. Der reisende Franzose Alexis de Tocqueville fand Amerika vor 200 Jahren "exzeptionell" - und es ragt weiter heraus. Irans Führer Ali al-Khaminai indes wähnt es im heutigen Atomstreit dekadent, politisch unethisch sowie von innen zerfallend.
Der Iraner zürnte über den Brief von 47 republikanischen Senatoren an sein Land vom 12. März: alle Staaten hielten sich an Abkommen, selbst wenn die Regierung wechsele. Aber nicht so die Senatoren. Al-Khaminai bejaht die laufenden Verhandlungen. Die Rede des israelischen Premiers Netanjahu, den er laut der New York Times "Zionist" nannte, habe Washington gespalten. Den "Islamstaat" – der Ayatullah benutzte das arabische Akronym Da'ish, اعشد) – "erfanden die Amerikaner". Sie und ihre Partner schufen diese teuflischen Terroristen, aber halten dies Iran vor. Doch schreit er "Haltet den Dieb", denn Iran lenkte Bagdad derart, dass es Sunniten abwies, die dann al-Qaida und dem "Islamstaat" zuliefen.
Gespenster
Jener Brief vom 9. März räumte ein, dass Präsident Obama zwar verhandeln könne, doch dass der Kongress eine Kernrolle spiele, Verträge zu ratifizieren. Wenn nicht, sei es ein "bloßes exekutives Abkommen" und könne beim Machtwechsel durch einen Federstrich annulliert werden. Richtig, dies tat Obama, indem er, um dem Kreml zu gefallen, 2009 die Raketenabwehr mit Polen und Tschechien abgesagt hat. Dennoch forderte der Leiter des Senatskomitees für Auswärtiges das Weiße Haus am 12. März auf, keine Hilfe durch die UN für den Nuklearpakt zu suchen, ohne zuvor dazu den Kongress abstimmen zu lassen. Bob Corker will damit Obama zuvorkommen, der den Kongress umgehen möchte. Dem arbeitet Außenminister John Kerry zu, indem er betonte, eine Vereinbarung mit dem Iran habe keinen "gesetzlich bindenden Status". Corker hingegen strebt ein Gesetz an, wonach das Weiße Haus ein Abkommen mit Iran dem Kongress zur Abstimmung vorlegen muss.
Al-Khaminais Seitenhiebe, Amerika löse sich von innen auf, bestärkte Präsident Hasan Ruhani. Am 9. März, dem "Märtyrertag", betonte er in Teheran, seine Diplomaten führen gleichwohl den Jihad, um die Nation zu verteidigen. Er lobte "den Einfluss der Islamischen Revolution in der Region" und den technischen Fortschritt in der Landesverteidigung. Irans Widerstand gegen die Mächte wäre eine Quelle des Stolzes und unmöglich, ohne die Opfer, die seine Märtyrer leisteten. Iran falle nirgends ein [eben sind 20.000 Iraner in Tikrit], wen-de sich aber gegen "Unterdrücker". Beide Iraner bedienen den Wortschatz des Islamismus: Da'ish, Zionisten, teuflische Terroristen, diplomatischer Jihad, Regionalrolle der Islami-schen Revolution und Opfer durch Märtyrer. Hingegen bejahte CIA-Chef John O. Brennan am 13. März Obamas Kurs zum "Islamstaat", besser "islamisch" oder "Muslime" auszu-nehmen. Sonst gebe man "mörderischen Psychopathen unverdient islamische Legitimität".
Ob Islamisten Wert auf Legitimität durch "Ungläubige" legen? Wer mag ohne Islam die islamistischen Konzepte begreifen? Liegt Obama nicht am klugen Widerspruch und macht Brennans Selbstvernebelung al-Khaminais Worte vom "Zerfall" nicht gespenstisch reell?
Expansion
Ganz anders als Brennan sehen Ägyptens Präsident as-Sisi und al-Azhar-Kreise um den Großscheich Ahmad M. at-Tayyib diese islamistischen Expansionen in ihren jüngsten drei Formen – der Mittelost- und Globalterror, der Schiastaat seit 1979, der von Teheran aus islamistische Modelle nach Gaza, Irak, Syrien, Bahrain, Libanon und Jemen ausführt; und der Sunnistaat, der auch Iran zuwider seit 2014 über Syrien, Irak, Sinai, Libyen und in Mittelafrika – in Somalia, Kenia und Nigeria – die "Provinzen seines Kalifats" ausweitet.
Der "Sprecher des Kalifen Abu Bakr al-Baghdadi" erklärte dessen Absicht am 12. März, das Weiße Haus zu sprengen wie auch den Big Ben und den Eiffel-Turm. Erfreut durch den Beitritt Boko Harams, rief Abu Muhammad al-Adnani im arabischen Audio ebenso Jihadisten auf, auch nach Westafrika zu gehen. Zudem wolle sein "Islamstaat" Jerusalem, Kabul, Rom, Paris und das "Islamische Iberien" haben. Juden und Christen könnten zum Islam konvertieren. Oder sie zahlten den ultimativen Preis. Sie fürchteten sich und wären schwach, können das Kalifat nicht stoppen. Muslime kehren überall an die Macht zurück. Was Wunder, Teheran versucht, durch Nukes samt ballistischen Raketen, Drohnen und Proxynetzwerken nicht nur gegenüber dem "Kalifat" des Sunnistaats unantastbar zu sein.
Wüstengrün
Abd al-Fattah as-Sisi und andere Ägypter hegen selbst keine Illusion, dass die Islamisten vor allem durch den soliden Aufbau in Mittelost zu besiegen sind. Das bedeutet Wasser, Brot, Arbeit und Bildung, wie es am Wochenende des 15. März ein Investorentreffen auf der Südspitze Sinais in Sharm ash-Shaikh erhellte. Präsident as-Sisi erklärte, Ägypten sei erneut im globalen Geschäft. Nach 7.000 Jahren erwache diese Nation wieder. Seine 90 Millionen Einwohner brauchten 300 Milliarden Dollar an Investmitteln. Die Golfländer sagten 12,5 und andere 10,7 Milliarden Dollar zu. Eine Milliarde erhält der Tourismus, wofür auch diverse Zentren schräg gegenüber auf Afrikas Seite, etwa in al-Ghurdaqa, die Beispiele sind. Das Rote Meer bietet dort faszinierende Taucherstellen und Ägypten die Abu-Simbel-Tempel und das Tal der Könige mit Gräbern von Tutanchamun und Ramses an. Islamisten hassen alles Vorislamische und versuchten, diese Tagung durch eine Welle von Terror zu vereiteln. In Mosul zerstörten ihre Anhänger gerade das Große Kreuz am Kloster St. George aus dem 10. Jahrhundert; und nahebei die 2.000 Jahre alte Stadt Hatra.
Nil-Delta und Kairo bei Nacht, schon unweit des Sueskanals, und Resort al-Ghurdaqa vom Roten Meer aus. (Foto: NASA, W.G. Schwanitz) |
Am Nil erwächst wohl das interessanteste Nationalvorhaben daraus, eine neue Hauptstadt bei Kairo etwa 100 Kilometer nach Osten zum Sueskanal aufzubauen. Die alte Metropole birgt 20 Millionen Einwohner, die sich in den kommenden 40 Jahren verdoppeln würden. Wie das NASA Bild bei Nacht offenbart, ist Kairo bereits weit nach rechts zum Sueskanal hinüber ausgewachsen. Es gibt noch reichlich Flächen zu bestellen, auch auf Sinai. Diese Halbinsel hat einen natürlichen Anschluss an die Welt durch die Infrastruktur des Kanals, der 1869 erbaut worden war. An der Eröffnungsfeier beteiligten sich in Port Said Kronprinz Friedrich Wilhelm von Preußen, der spätere Kaiser Friedrich III. Die Preußen hegten eine Vorliebe zu Ägypten und Mittelost. Nicht nur sie. Geistige Vorarbeit zum Kanal leisteten auch Deutsche, etwa Sachsen um die Leipziger Robert Georgi und Albert Dufour-Feronce. Dieses Kapitel über deren sächsische Studien ab 1845 liegt noch weitgehend im Dunkeln. Aber dies ist 1913 dokumentiert in deren Buch "Urkunden zur Geschichte des Sueskanals".
Heute bietet der Anschluss an die Wasserstraße, die durch den neuen Sueskanal flankiert wird, viele Arbeitsplätze in industriellen und sonstigen Arealen, die begrünt werden. Der bald zweispurig und gegenläufig schiffbare Doppelkanal soll aus einer "Wasserrinne den Technologiezug in die Zukunft" bilden. Wüsten gibt es genug, die modern bewässert in der Tat blühende Oasen mit den geplanten tausenden Fabriken und Arbeitsstätten gewähren. In vier Jahren Destabilisierung fiel das Wachstum von 7,2 auf 1,8 Prozent. Die Schulden stiegen von 73 auf 91 Prozent des Nationalprodukts, die Arbeitslosigkeit von neun auf 13 Prozent (sicher viel höher) und unter der Armutsgrenze leben ein Viertel aller Einwohner. Man kann nur hoffen, dass sie sich trotz der islamistischen Angriffe nun national und global besinnen. Vielleicht liegt in diesem Megaprojekt das Eigene, das Ägypten einbringen mag.
Die Ägypter finden endlich zu sich. As-Sisi besucht alsbald Angela Merkel in Berlin. Das wird höchste Zeit, denn die beiden Seiten eint auch die Erfahrung des Aufbaus, so wie Amerikaner und Israelis.