Während Europa Wellen von Flüchtlingen aufnimmt, blockierten am Donnerstag, den 10. September, 42 Senatoren für Präsident Obama den Senat vor dem Nein-Votum zum Atompakt mit Iran. Folglich wird der Pakt wirksam, obwohl ihn keine Mehrheit trägt, weder in beiden Kongress-Kammern noch der Bürger. Laut Umfragen sind zwei Drittel von ihnen dagegen. Präsident Obama betritt damit sehr dünnes Eis mit enormen Risiken.
Anders gesagt: Iran wird 125 Milliarden Dollar erhalten, als Terrorsponsor weiter agieren, womit mehr Menschen nach Europa fliehen, zumal Iran das syrische Regime abstützt. Wem gilt das als "Sieg der Diplomatie"? "Was die Diplomatie erreichen kann", betonten Angela Merkel, François Hollande und David Cameron am 10. September in der Washington Post. Zwar verurteilen sie, dass Iran die Existenz des Staates Israel nicht anerkenne sowie die inakzeptable Sprache, derer sich die iranische Führung gegenüber Israel bediene. "Israels Sicherheitsinteressen sind und bleiben auch unser Kerninteresse." Die drei Europäer hätten das Ergebnis nicht akzeptiert, wenn sie nicht meinten, dass es der Sicherheit Mittelosts und dem Nichtverbreitungsregime diene. Sie erwarteten nicht einen raschen Kurswechsel Irans, hofften aber auf dessen Einsicht, Kooperation sei besser als Konfrontation, obwohl weiter fundamentale Unterschiede in Grundwerten und Interessen bestünden. Das wird also auch Europas Atompakt. Dieser setzt auf Illusionen über Irans Regime und führt zu gefährlichen Selbsttoren. Dies zeigt sich bereits. Iran fährt fort, dem "Großen Satan" Amerika und Israel den Tod zu wünschen. Ajatullah al-Khaminai drohte, es gäbe in 25 Jahren kein Israel mehr.
Formell gilt der Pakt ab 19. Oktober, 90 Tage nach dem Ja im UN-Sicherheitsrat. Teheran erzielt den "Einführungstag" des Pakts, sofern ihm die Atomenergie-Behörde attestiert, die Auflagen erfüllt zu haben, was ein Jahr dauern kann. Zwiste erzeugen Geheimabkommen zum Nuklearort Parchin, zu Irans atomarer Vorgeschichte, Inspektionen und Befragungen.
Dennoch wird der Pakt wirksam: nur eine präsidiale Übereinkunft mit Iran, kein Vertrag, der 2/3 Mehrheiten in beiden Häusern bedürfte (im Senat 67). Da Obama diese nicht erwartete, holte er vorab, ohne ein Kongressvotum, das Ja des UN-Sicherheitsrats ein. Freitag lehnten im Unterhaus 244 Republikaner samt 25 Demokraten gegen 162 Demokraten diesen Pakt ab. Zudem stimmten 247 Republikaner gegen 186 Demokraten dafür, dass Präsident Obama keine Sanktionen gegen Iran lüfte, solange er im Amt ist. Dies ist für ihn nicht bindend.
Selbstzwänge
Gibt es zum Atompakt eine kritische Debatte im Bundestag? Jetzt ist eine Nebenfolge des Pakts, dass Präsident Putin massiv mit Beratern und Waffen al-Asads Regime stützt und mithin noch mehr der vier Millionen Syrer in Flüchtlingslagern nach Europa treibt.
Präsident Obama verfügte am Donnerstag, nächstes Jahr mindestens 10.000 Flüchtlinge aus Syrien in Amerika aufzunehmen. Der Parlamentarier Pete King meinte, dies riskiere amerikanische Leben, zumal man weder jetzt noch 2016 Potenzen habe, diese Menschen auf Sicherheit zu prüfen. Er wolle kein weiteres Boston-Marathon-Bombing. Kings New Yorker Region erlebte seit 9/11 25 vereitelte Terroranschläge. Am Sonntag ging Senator Ron Johnson weiter. Um zu prüfen, dass ein Flüchtling kein Terrorist sei, brauche es 18 bis 24 Monate. Dies mag etwas verkürzt werden, jedoch sei kein Schritt auszulassen. Es bedürfe keiner Phantasie, um zu erkennen, dass der "Islamstaat" seine Leute unter die Flüchtlinge bringe. Diese syrische Flüchtlingskrise sei das Resultat von Obamas Politik, ohne Truppen der Stabilisierung abzuziehen und keineswegs gegen al-Asads Regime aktiver vorzugehen. Das ist sicher richtig, doch sollte es keinen Generalverdacht geben.
Wendepunkt
Über 16.000 Flüchtende trafen am Wochenende in München ein. Bürgermeister Dieter Reiter rief nach Hilfe, um ein Chaos zu vermeiden. Immerhin gab es Freiwillige, die halfen, obzwar die Zahl der Begrüßer sich vermindert hat. Jetzt sind Herz und Kopf gefordert, dies zu bewältigen, zumal sich in Deutschland Anschläge auf Unterkünfte der Ankömmlinge bis August auf 335 gegenüber dem gesamten Vorjahr fast verdreifacht haben. Im Aufnahmewillen weitet sich eine Kluft unter den Ost- und Westeuropäern.
Toulouse für Flüchtlinge, 5.9.2015. (Foto: Gyrostat/Wikimedia Commons) |
Angela Merkel erklärte sich dazu im Bundestag am 9. September. Ihrer Finanz- und Haushaltspolitik ist zu danken, dass Berlin im Moment dieser Anspannung den Wendepunkt erreicht hatte: keine neuen Schulden. Nicht zuletzt auf dieser Basis hat sie recht kühn reagiert, die einzig menschliche und richtige Reaktion in dieser Krise.
Die Kanzlerin hat in dieser Frage die Führerschaft in Europa übernommen, nicht zuletzt durch ihr Beispiel. Früher oder später gestalten sich viele Staaten der Welt zu Ländern der Einwanderung in der schönen und kreativen Buntheit wie Amerika. Seit 2000 ist Deutschland ein Einwanderungsland. Der Kernpunkt ist eben, ob die Regierenden es schaffen, einen klugen, transparenten Prozess in Etappen zu finden. Alles muss gebremst, geordnet und weniger naiv laufen. Merkel ging die Nationalaufgabe mit viel Schwung an.
Aber diese seit vier Jahren absehbare Lage folgt auch aus der verfehlten Mittelostpolitik ohne Bewusstsein zur eigenen Geschichte als Berliner Sponsor von Jihad und Islamismus 1898 bis zur Globalära seit 1990. Keine akademische Übung, sondern bitter nötig, um sich Klarheit über Heute zu schaffen. Nur 70 Jahre nach dem Weltkrieg mit dem Genozid an Juden gehen wieder Totalitarismen um. Samstag warnte Timothy D. Snyder in der New York Times vor dem nächsten Genozid. Er sieht den Triumph des gewaltsamen totalitären Strangs im Islamismus in Mittelost. Der räsoniert in Russland, China und Iran. Berlin muss sich endlich besinnen. Wie lange will es Selbsttore als Sieg feiern?